Marieluise Fleißer

„An einen Kameraden“, 1930
gelesen von Barbara Melzl

Von Chrisi1964Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Marieluise Fleißer
geboren 1901 in Ingolstadt als zweite Tochter des Schmieds und Eisenwarenhändlers Heinrich Fleißer und seiner Frau Anna. Sie wächst mit drei Schwestern und einem Bruder auf. Nach dem Tod der Mutter heiratet der Vater 1923 erneut. Nach dem Abschluss der Schule studiert sie Theaterwissenschaften an der Ludwig-Maximilian-Universität in München, wo sie Lion Feuchtwanger und über ihn Bertolt Brecht kennenlernt. 1923 erscheint ihre erste Publikation, die Erzählung «Meine Zwillingsschwester Olga» (spätere Fassung unter dem Titel: «Die Dreizehnjährigen»).

Anfang 1924 beginnt sie das Drama «Die Fußwaschung» zu schreiben, bevor sie nach Ingolstadt zurückkehren muss. 1925 verfasst sie die Erzählungen «Abenteuer aus dem Englischen Garten», «Der Apfel» und «Die Stunde der Magd». «Die Fußwaschung» wird 1926 unter dem Titel «Fegefeuer in Ingolstadt» am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt. Auf Anregung Brechts schreibt sie das Stück «Pioniere in Ingolstadt», das nach der Uraufführung 1928 an der Komödie Dresden einen Skandal auslöst und zensiert wird. Im selben Jahr verlobt sie sich mit ihrem Jugendfreund und späteren Ehemann, dem Tabakwarengroßhändler Josef Haindl. Ende 1929 verfasst sie das Stück «Der Tiefseefisch». Sie löst die Verlobung mit Haindl auf und verlobt sich bald darauf mit dem Schriftsteller Hellmut Draws-Tychsen. Während einer dreimonatigen Reise nach Andorra mit Draws, schreibt sie Andorranische Reiseberichte für die «Vossische Zeitung». 1931 erscheint ihr Roman «Die Mehlreisende Frieda Geier».
Die darauffolgenden Jahre sind von Geldnot und psychischer Instabilität geprägt. 1932 kehrt Marieluise Fleißer erneut nach Ingolstadt zurück und löst 1935 die Verlobung mit Draws. Auf Drängen des Vaters hin heiratet sie Josef Haindl. Die Arbeit im gemeinsamen Geschäft nimmt ihre gesamte Zeit und Kraft in Anspruch. 1937 erleidet sie einen Nervenzusammenbruch, von dem sie sich nur langsam erholt. 1944 beendet sie das Drama «Karl Stuart» und 1945 die Komödie «Der starke Stamm». Ende 1945 kommt ihr Mann herzkrank und traumatisiert aus dem Krieg zurück. 1949 folgen weitere Erzählungen wie «Er hätte besser alles verschlafen», «Das Pferd» und «Des Staates gute Bürgerin». 1950 wird an den Münchner Kammerspielen «Der starke Stamm» uraufgeführt.

Das Geschäft ihres Ehemannes gerät in finanzielle Schräglage, als ein Teilhaber seine Verbindung aufkündigt und eine hohe Verschuldung entsteht. 1956 folgen weitere Begegnungen mit Brecht in Ostberlin. Dort arbeitet sie unter anderem für den Bayrischen Rundfunk, um Geld zu verdienen. Zwei Jahre darauf verstirbt ihr Mann und Marieluise Fleißer erleidet einen Herzinfarkt. Nach dem Tod ihres Mannes löst sie das Geschäft auf. Zwischen 1963 und 1965 erscheinen die Erzählungen «Avantgarde», «Der Rauch» und «Die im Dunkeln». 1966 wird die von ihr neu bearbeitete Fassung von «Der starke Stamm» an der Schaubühne am Halleschen Ufer aufgeführt. Im nachfolgenden Jahr beginnt sie wieder an dem Stück «Pioniere in Ingolstadt» zu arbeiten, das 1970 in der neuen Fassung am Residenztheater aufgeführt wird. 1971 findet die Aufführung der neuen Fassung von «Fegefeuer in Ingolstadt» an den Wuppertaler Bühnen statt. Im gleichen Jahr bearbeitet Rainer Werner Fassbinder «Pioniere in Ingolstadt» für das Fernsehen. 1972 erscheint ihr Aufsatz «Alle meine Söhne» über Martin Sperr, Rainer Werner Fassbinder und Franz Xaver Kroetz. Im selben Jahr gibt der Suhrkamp Verlag ihre gesammelten Werke heraus. Für ihr literarisches Schaffen erhält Marieluise Fleißer zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1953), den neueingerichteten Kunstförderpreis der Stadt Ingolstadt (1961), den Förderpreis des Kulturkreises im Bundesverband der deutschen Industrie (1965), den Poetentaler (1967), sowie den Bayerischen Verdienstorden (1973).

Am 2.Februar 1974 stirbt Marieluise Fleißer in Ingolstadt. Seit 1981 vergibt ihre Heimatstadt den Marieluise-Fleißer-Preis.

Barbara Melzl

Schauspielerin am Residenztheater